acib-GF Mathias Drexler: „Ich hoffe, dass gewisse Produktionsweisen in zehn Jahren nicht mehr zulässig sind.“

Das acib betreibt Spitzenforschung in der industriellen Biotechnologie. Im Zentrum stehen umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse u. a. für die Biotech-, Chemie- und Pharmaindustrie. Am acib forschen und arbeiten derzeit 200+ Beschäftigte an über 75 Projekten.
Biomedizin F&E
Mathias Drexler

Wir sprachen mit dem Geschäftsführer des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) Mathias Drexler über

… aktuelle Corona-Forschung:

„Wir betrachten es als eine unserer zentralen Aufgaben, nachhaltige Strukturen für Innovation zu schaffen. Wie wichtig das ist, sehen wir am Beispiel der mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2. Durch die vorangehende Forschung an anderen Viren wie Ebola waren so viele Bausteine bereits vorhanden, dass man sehr schnell neue Impfstoffe zusammensetzen konnte.

Ähnlich verhält es sich mit der digitalen pharmazeutischen Forschungsplattform, die wir mit unserem Spin-off Innophore entwickelt haben. Sie ist mit sehr hohen Datenmengen hinterlegt und bildet die Basistechnologie für die Suche nach neuen Wirkstoffen. Man kann jetzt quasi im Computer nachschauen, welche Substanzen im Kontext mit Corona einsetzbar sind. Darüber hinaus haben wir durch unsere Partnerschaft mit Kurt Zatloukal von der Med Uni Graz Zugang zu Hochsicherheitslabors, in denen wir Wirkstoffe an echten Coronaviren testen und praxistaugliche Erkenntnisse gewinnen.

Ziel der Forschung sind einerseits Therapeutika, andererseits Adjuvantien, also Zusätze zu Impfstoffen, die die Immunität erhöhen. Squalen ist beispielsweise eine solche Substanz, die bis dato aus Haifischen gewonnen wird. Wir suchen einen Weg, es biotechnologisch im Labor herzustellen.“

… Industrie und Umwelt

„Wir schauen uns industrielle biochemische Verfahren an, die teuer umweltfeindlich und energieintensiv sind. Dann suchen wir nach neuen Methoden, die herkömmlichen Prozesse zu ersetzen oder die Produktion umweltfreundlicher, einfacher und günstiger zu machen. Nehmen wir etwa PET-Plastikflaschen: Diese werden oft gar nicht oder thermisch verwertet, also verbrannt. Neue Verfahren bauen sie biologisch ab und überführen sie direkt wieder in Ausgangsstoffe für neue Plastikprodukte.

Ein anderes Beispiel ist die Fermentationstechnologie. Pharma-Unternehmen verwenden sie, um Chemikalienausgangsstoffe herzustellen – aber sie produziert auch große Mengen an CO2. Wir setzen dieses in unseren Verfahren als natürliche Kohlenstoffquelle ein und wandeln es um. Pflanzen tun das immer schon. Vereinfacht und plakativ formuliert: In Zukunft könnten beim Rauchfang eines Reaktors Medikamente rauskommen statt Abgase.“

… den Standort Steiermark

„Die Biotech-Szene funktioniert am Standort Steiermark hervorragend, in den letzten seit 20 Jahren hat sich sehr viel getan, das zeigen allein die zahlreichen Spin-offs und Startups. Zugleich gibt es in Österreich und ganz Europa noch Potenzial für eine Bündelung der Kräfte, denn derzeit gehen durch – zum Teil wünschenswerte – Kompetitivität und Parallelität wertvolle Ressourcen verloren. Nicht zuletzt die Coronakrise lehrt uns, wie wichtig der Plattformgedanke ist: Wir müssen nachhaltige interdisziplinäre Zentren schaffen und in einem stabilen Public-private-Partnership dafür sorgen, dass wir für die kommenden biologischen Krisen gut aufgestellt sind. Was heute COVID-19 ist, kann morgen der Borkenkäfer sein und übermorgen die Mikroplastik-Epidemie.“

… die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte

„Seit unserer Gründung 2010 haben wir eine immense Dynamik an Themen und neuen Entwicklungen erlebt. Megatrends in der Pharmazie sind sicherlich Biopharmazeutika (also biotechnologisch hergestellte Arzneistoffe, Anm.), individuell maßgeschneiderte Medikamente und eine schnellere Produktion in größeren Mengen, denn die herkömmlichen Herstellungsmethoden stoßen an Kapazitätsgrenzen, wie wir jetzt bei den Impfstoffen sehen. Modularität, Interoperabilität, Skalierbarkeit und Transferierbarkeit sind die Schlagworte, die an Gewicht gewinnen.

Zukünftig wird es bei der Bewertung von Produkten um den gesamten Lebenszyklus der eingesetzten Werkstoffe gehen. Das Life Cycle Assessment (LCA) bezieht die gesamte Prozess- und Lieferkette mit ein und damit den ökologischen Fußabdruck, den ein Unternehmen hinterlässt. Ich hoffe, dass in zehn Jahren oder mehr gewisse umweltbelastende Produktionsweisen nicht mehr möglich bzw. nicht mehr zulässig sind. Firmen, die bereits jetzt ökologische Verantwortung übernehmen und diese Entwicklung antizipieren, werden zu den Gewinnern zählen.“

About:

Die Non-Profit-Organisation acib hat den Hauptsitz in Graz und weitere Standorte in Österreich Deutschland, Italien, Australien und Neuseeland. Sie unterhält als Partnerschaften mit über 150 Universitäten und Unternehmen. Eigentümer des acib sind die Unis Innsbruck und Graz, TU Graz, BOKU in Wien sowie Joanneum Research. Das COMET-K2-Zentrum existiert seit 2010 und wird in seiner dritten Periode 2020 bis 2023 mit rund 40 Millionen Euro gefördert, 19 Millionen davon von Bund und Land Steiermark.

Dr. Mathias Drexler:

Studium der Lebensmittel- und Biotechnologie mit Schwerpunkt Molekularbiologie an der BOKU Wien, Promotion an der Uni Wien. Von 2000 bis 2010 in der Innovationsagentur und später der Austria Wirtschaftsservice. Seit 2010 bis heute CEO der acib GmbH.

Cluster, COMET & Co – friends for benefits