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14. März 2022

Forschungspreise des Landes Steiermark verliehen

Wissenschafts- und Forschungslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl verlieh heute im Weißen Saal der Grazer Burg die Forschungspreise des Landes Steiermark für das Jahr 2021.
Wissenschafts- und Forschungslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (l.) mit den Preisträgerinnen und Preisträgern der Forschungspreise des Landes Steiermark 2021 – Michael Steiner (r.), Gabriele Berg (2.v.r.) und Julia Danzer (2.v.l.). Nicht am Foto: Norbert Paulo.

Der Erzherzog-Johann-Forschungspreis, der Forschungspreis und der Förderungspreis für Wissenschaft und Forschung sind mit jeweils 12.000 Euro dotiert und werden jedes Jahr für herausragende Leistungen im Bereich der Wissenschaft und Forschung vergeben. Der Förderungspreis wurde geteilt und für zwei Arbeiten vergeben (je 6.000 Euro).

„Hinter den großen Erfolgen der Steiermark als Forschungs- und Innovationsland stehen herausragende Leistungen von Forscherinnen und Forschern an heimischen Hochschulen und Institutionen Mit den Forschungspreisen holen wir diese Leistungen vor den Vorhang und würdigen sie entsprechend. Wir wollen damit auch den Menschen in unserem Land die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für unser Leben bewusstmachen. Die ausgezeichneten Arbeiten zeigen einmal mehr die Vielfalt und Qualität der steirischen Forschungslandschaft“, so Landesrätin Eibinger-Miedl.

Der Erzherzog-Johann-Forschungspreis wurde an Michael Steiner vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Karl-Franzens-Universität Graz verliehen. Gabriele Berg vom Institut für Umweltbiotechnologie der Technischen Universität Graz wurde mit dem Forschungspreis ausgezeichnet. Den Förderungspreis teilen sich Julia Danzer vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität und Norbert Paulo vom Institut für Philosophie an der Karl-Franzens-Universität.

Erzherzog-Johann-Forschungspreis 2021 (für Leistungen, welche die politische, geisteswissenschaftliche und technologische Gesellschaftsentwicklung der Steiermark fördern):

Michael Steiner vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Karl-Franzens-Universität Graz für die Publikation:

„WIRTSCHAFT.STEIERMARK Zwischen Utopie und Realität“

Die Wirtschaft der Steiermark hat in den letzten 75 Jahren einen viel beachteten Wandel vollzogen: Sie ist von einem „alten Industriegebiet“ zu einer hochindustrialisierten Technologieregion, von einem „Land an der Grenze“ zu einem offenen Wirtschaftsraum geworden. Dieser Transformationsprozess hat die Steiermark zu einem vielbeachteten Beispiel sowohl für wirtschaftliche und politische Praxis als auch für die akademische Forschung gemacht. Dieser Wandel war nicht selbstverständlich: Er war nur durch die Dynamik steirischer Unternehmen möglich, die die Erneuerung vorangetrieben haben. Allerdings waren diese auf ein regionales Umfeld angewiesen, das sie in ihren Bemühungen auf vielfältige Weise unterstützt hat: durch eine technologie- und innovationsorientierte Regionalpolitik, die Antworten auf die jeweiligen Herausforderungen gesucht hat; durch eine regionale und nationale Grenzen überschreitende Landespolitik mit europäischer Perspektive und Sinn für internationale Offenheit; durch eine verbesserte und mobilitätsunterstützende Infrastruktur bis hin zur Digitalisierung; und vor allem durch Forschung, die immer mehr zu einem Universalschlüssel für die Zukunft wird.

„WIRTSCHAFT.STEIERMARK Zwischen Utopie und Realität“ zeichnet diese Entwicklung nach und stellt allgemein verständlich den Veränderungsprozess eines Bundeslandes dar, das die Wechselfälle wirtschaftlicher Krisen bewältigt hat und nun zu den wohlhabenden Regionen Europas zählt. Ein wichtiges Element dafür war eine Geisteshaltung, die in dem Band als utopischer Realismus bezeichnet wird: der Wille zur Zukunftsgestaltung trotz widriger Umstände.

Forschungspreis des Landes Steiermark 2021 (für hervorragende Leistungen anerkannter Wissenschafterinnen und Wissenschafter auf allen Gebieten der wissenschaftlichen Forschung):

Gabriele Berg vom Institut für Umweltbiotechnologie an der Technischen Universität Graz für die Arbeit:

„Microbiome definition re-visited: old concepts and new challenges”

Die Mikrobiomforschung ist zu einem Thema von großem wissenschaftlichen und öffentlichen Interesse geworden. Der rasche Aufstieg in sehr verschiedenen Forschungs- und Anwendungsfeldern erfordert eine klare, einheitliche Definition. Berg et al. (2020) schlägt eine Definition des Mikrobioms vor, die neueste technologische Entwicklungen und Forschungsergebnisse berücksichtigt. Mikrobiom und Mikrobiota werden klar voneinander differenziert und die Viren in das Mikrobiom eingebettet. Der Artikel präsentiert die allgemein akzeptierte Definition eingebettet in eine historische Einführung, methodische Fragestellungen und Zukunftsaussichten der Mikrobiomforschung und -anwendungen.

Das Mikrobiom ist für alle Gesundheitsfragen unsere Zeit entscheidend: für die menschliche Gesundheit genauso wie für die unseres Planeten. Fast alle Krankheiten gehen mit einer Veränderung des Mikrobioms einher; daraus ergeben sich neue prophylaktische und therapeutische Möglichkeiten. Zusätzlich bietet die Mikrobiomforschung breite Anwendungsmöglichkeiten im Land- und Gartenbau sowie in der Aquakultur. Weiters kann die Mikrobiomforschung Lösungen liefern, dem anthropogen bedingten Klimawandel entgegen zu wirken. Die neue, umfassende Definition wird zusammen mit den vorgeschlagenen Konzepten dazu beitragen, die Vergleichbarkeit von Mikrobiomstudien zu verbessern und zu einem schnelleren Wissenstransfer von der Grundlagenforschung in die Praxis führen.

Förderungspreis des Landes Steiermark 2021 (für Wissenschafterinnen und Wissenschafter unter 40 Jahren):

Julia Danzer vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz für die Arbeit:

„Globales Klimamonitoring mittels einer neuen Methode zur Berechnung von Atmosphärenprofilen mit hoch-genauer Ionospährenkorrektur“

Der Klimawandel ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Das Fenster für ausreichende Maßnahmen schließt sich schnell und er ist auch Thema wirtschaftlicher, politischer und sozialer Interessenkonflikte. Daher ist es von größter Bedeutung, solides Wissen über den weiteren Fortgang der globalen Erwärmung und unser Klimasystem zu erlangen. Seit fast 20 Jahren liefert die satellitengestützte Radio-Okkultationstechnik (RO) qualitativ hoch¬wertige Daten der globalen Atmosphäre. Der Nutzen reicht von der Wettervorhersage über Klimamonitoring bis hin zur Weltraumwetterforschung. Dabei werden Radiosignale von globalen GPS-Navigationssatelliten zu niedrigfliegenden Empfängersatelliten geschickt. Diese erfahren durch die atmosphärische Brechung eine Phasenweg-Verlängerung, die Aufschluss über Luftdruck, Temperatur und auch Feuchtigkeit in der Atmosphäre gibt. Allerdings üben mit steigender Höhe Messrauschen und die Ionosphäre einen zunehmenden Einfluss auf die Datenqualität aus.

In der eingereichten Verbund-Arbeit wurde eine neue einfach anwendbare Methodik entwickelt, die das Messrauschen stark mildern und die ionosphärische Verzerrung wirksam korrigieren kann. Dies verbessert die Datenqualität in der Stratosphäre und ermöglicht damit global ein genaueres Klimamonitoring, was wiederum zu einem besseren Verständnis unseres Klimasystems beiträgt. Daher hatte auch die „International Radio Occultation Working Group (IROWG)“, das internationale Leitgremium im Gebiet, die Verbesserung der Qualität der Stratosphärendaten zu einem zentralen Ziel erhoben. Diesem Ziel hat diese Arbeit als echte Pionierarbeit hervorragend zugearbeitet.

Norbert Paulo vom Institut für Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz für die Arbeiten:

„Empirische Ethik: Grundlagentexte aus Psychologie und Philosophie“
Habilitation: „Empirically-Informed Moral Epistemology“

Die eingereichten Arbeiten behandeln eines der gegenwärtig am kontroversesten diskutierten Grundlagenthemen an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Psychologie, nämlich die Relevanz empirischer Erkenntnisse der Moralpsychologie für die philosophische Ethik. Besonders in der deutschsprachigen Philosophie dominiert spätestens seit Kant eine Position, nach der die Philosophie eine dezidiert nicht-empirische Disziplin ist. Nach diesem sog. Antiempirismus sind empirische Erkenntnisse für philosophische Fragen schlicht irrelevant. Dieser in Österreich und Deutschland tief tradierte Antiempirismus ist einer der Gründe für die in diesen Ländern bis heute besonders tiefe Kluft zwischen Philosophie und Psychologie.

Die eingereichten Arbeiten korrigieren diese Sichtweise. Sie bieten eine neue, kontextbewusste Bestimmung des Verhältnisses zwischen Ethik und Empirie. Es handelt sich um getrennte Disziplinen, die jedoch in vielen Hinsichten fruchtbar interagieren können. Auf dieser Grundlage werden in den Arbeiten eine Reihe neuer Erkenntnisse der empirischen Moralpsychologie diskutiert und ihre Relevanz für die philosophische Ethik im Detail erörtert. Insgesamt wird damit das neue Feld der sog. „empirischen Ethik“ etabliert.